[ Informatives ]

Zur Geschichte der Friedenkirche

Ora et labora?
Bete und arbeite- nein, diese Regel der Benediktinermönche stimmt nicht für das evangelische Mombach. Die Reihenfolge war vielmehr genau umgekehrt: im Zuge der Industrialisierung zogen viele evangelische Arbeiter aus Odenwald, Hunsrück und Taunus ins Mainzer Gebiet. Sie kamen zum Arbeiten, wollten aber auch beten und Gottesdienste in ihrer Konfession feiern. Doch Mainz war katholisch, evangelische Kirchen gab es fast keine. Die Mombacher Gemeinde wurde 1885 von einigen Familienvätern gegründet. Sie wuchs rasch: 1908 zählte man bereits 2200 Seelen! Ein eigener Kirchenbau war das große Ziel.

Alter Schwede!
Im Gedächtnis an den Schwedenkönig Gustav Adolf, der im 30-jährigen Krieg den bedrängten evangelischen Christen half, wurde 1832 das Gustav-Adolf-Werk gegründet. Sein Ziel war, neu gegründete evangelische Gemeinden beim Bau ihrer Kirchen zu unterstützen. Auch uns Mombachern wurde geholfen, so dass am 10.4. 1910 der Grundstein unserer Kirche gelegt werden konnte. In Rheinhessen gibt es zahlreiche Gustav-Adolf-Kirchen, neben Mombach sind u.a. Weisenau (1892), Bretzenheimer Betsaal (1893), Gonsenheim (1903)und Budenheim (1913) zu nennen.

Luthers kleine Schwester
Wer aus der Gegend Darmstadt/ Frankfurt/Mainz kommt, dem wird unsere Friedenskirche auf Anhieb irgendwie bekannt vorkommen, denn der damalige Landeskirchenbaumeister Prof. Friedrich Pützer hatte einen prägenden Stil. Der Architekt für Mombach war Reinhold Weiße, ein Schüler von ihm. Unsere Kirche wurde als verkleinerte Ausgabe von Pützers Lutherkirche in Wiesbaden im auslaufenden Jugendstil erbaut.

Es ist vollbracht
Am 22.10.1911 wurde die Kirche in Anwesenheit des Darmstädter Großherzogspaares eingeweiht. (Als Gastgeschenk brachte dieser übrigens das noch heute benutzte Abendmahlsgerät mit.) Sie liegt direkt neben der 2 Jahre zuvor erbauten Pestalozzischule und bildet mit ihr zusammen ein harmonisches Ensemble- bis heute eine der schönsten Ecken von Mombach. Da sie auf der mittleren Anhöhe liegt, überragt der Kirchturm den Ort und ist, gerade von Norden (Schiersteiner Brücke) herkommend, von weitem zu sehen. Doch wenn schon, denn schon: die Mombacher bauten nicht nur ihre Kirche, sondern- wie modern- gleich ein ganzes Kirchenzentrum. An die Kirche in Ecklage schließt sich rechts das Pfarrhaus direkt an. In Verlängerung der Längsachse, aber eine Etage tiefer, liegt das ehemalige Schwesternwohnhaus, heute als Wohn- und Gemeindebereich genutzt. Beide Ebenen werden durch eine großzügige

Im Dunkeln war gut Munkeln
Die von außen helle Kirche muss damals innen einen ganz anderen Eindruck gemacht haben: Insgesamt war es düster und eher geheimnisvoll- fast majestätisch dominierte die zentrale, über zwei symmetrische Treppenaufgänge zu erreichende Kanzel aus Holz über dem Altar. Dahinter war der beeindruckende, regelmäßige Orgelprospekt zu sehen. Dazu kamen das dunkle Holz, hohe Kirchenbänke sowie dunkelgrünes Linoleum als Fußbodenbelag. Der ganze Raum war mit braunen, ocker, dunkelroten und grünen Ornamenten ausgemalt.

Störe meine Kreise nicht!
Den Krieg überstand das Gebäude nahezu unbeschädigt. Doch mit den gesellschaftlichen Umbrüchen in den 60er Jahren kam auch ein neues Theologieverständnis auf, dem man durch einen Umbau der Kirche Rechnung trug. Noch heute von Einigen bedauert, wurden dabei der Altar, die Kanzel und ein Großteil der Wandmalereien entfernt und die Wände weiß gestrichen, also deutlich erhellt. Die Ausmalung der Orgelnische, der Emporenbrüstung und vor allem die markanten Kreise der Deckenbemalung wurden allerdings original erhalten.

Das Bewusstsein bestimmt das Sein
Die Kirchengemeinde beauftragte Prof. Rolf Romero aus Darmstadt, dieser wollte eine neue Form des Gottesdienstes [durch bauliche Maßnahmen] folgerichtig einführen. Daher wurde die zentrale Kanzel- und Orgelstellung aufgegeben, der erhobene Altar durch einen schlichten Tisch ersetzt, um den sich die Gemeinde locker versammeln kann. Eine nunmehr variable Bestuhlung statt der festen Bänke ermöglicht es, den Kirchenraum vielseitiger zu nutzen. Die historischen Abendmahls- und Taufgeräte sowie das Kreuz und vier Kerzen sollen die leere Wand hinter dem Altartisch schmücken- doch ist dieser Bereich am wenigsten gelungen. Gerade für die Brüstung der Orgelempore wurde bis heute noch nicht die ideale Lösung gefunden.

Haste da noch Töne?
Im Zuge dieser großen Umgestaltung der Kirche wurde 1971 auch eine neue, 2-manualige Oberlinger- Orgel gebaut, die das alte Instrument von 1910 ersetzte. Die alte symmetrische Orgelansicht verschwand zugunsten eines moderneren Prospekts mit Rückpositiv. Was die wenigsten aber wissen: im neuen Gewand verbergen sich zahlreiche alte Pfeifen, ja ganze Register der Orgel von 1910. Nach einer umfangreichen Renovierung im Sommer 2003 erklingen alte wie neue Pfeifen nun wieder wohlgestimmt in ihrer vollen Pracht.

Feuer und Flamme für die Friedenskirche
Zum Brand des Turmdaches kam es 1974. Er wurde durch einen Kurzschluss ausgelöst und bedrohte wegen des starken Windes alle umliegenden Gebäude. Ein Übergreifen der Flammen konnte verhindert werden, aber durch das viele Löschwasser entstanden enorme Schäden im Innenraum, so dass erneut renoviert werden musste. In den knapp 100 Jahren ihres Bestehens hat die Friedenskirche mit Kriegen, Umbauten und Brand also schon einiges mitgemacht. Dennoch präsentiert sie sich heute noch als ein historisches Gebäude, das außen wie innen den Charme des Jugendstils spüren lässt. Neben dem Bau als solchem lohnt es sich, an vielen Stellen genauer hinzusehen. Es sind etliche Wandmalereien sowie die ursprünglichen fünf bemalten Kirchenfenster erhalten, letztere zeigen Christus und die vier Evangelisten. Und auch wenn die Glasvitrine an der Altarwand schon manchen Besucher an ein Erste-Hilfe-Schränkchen erinnert hat- hier sind die Abendmahlgeräte von 1911 sowie einige Jugendstil- Kerzenleuchter für alle sichtbar aufbewahrt.

Renovierung in 2008